Sind freiberufliche Anthropologen zu teuer?
In Deutschland sind die Preise für wissenschaftliche Dienstleistungen zumeist höher als anderswo und auch von Bundesland zu Bundesland verschieden. Dies ist in erster Linie den höheren Kosten geschuldet, denen sich der Freiberufler gegenübersieht. Das gilt im Besonderen für Nischenanbieter – und das sind Anthropologen nun einmal. Utopisch hohe Preise für entsprechende Dienstleistungen sind mir in Deutschland noch nirgends begegnet; umgekehrt jedoch schon.
Wie bei allen Dienstleistern macht es einen gewichtigen Unterschied, ob jemand beispielsweise Anthropologie eher hobbymäßig ausübt oder davon lebt. Ersterer kann immer deutlich billiger anbieten.
Es gibt Angebote, mit denen KANN man als Selbständige(r) nicht konkurrieren. Umgerechnete Stundenlöhne von 5€ und darunter lassen die in der Wirtschaft vorgegebenen Mindestlöhne
geradezu hoch erscheinen und sind fern jeder Lebensrealität.
Grundlage für Preise von Wissenschaftlern bildet in der Regel der Tarifvertrag der Länder. Aus ihm geht hervor, welches Gehalt man bei einer Anstellung beim Staat zu erwarten hätte. Tatsache ist, dass sich die reellen Preise in den Basisangeboten zumeist UNTERHALB dieser Angaben bewegen. Werfen wir einen Blick auf den aktuellen Tarifvertrag der Länder (West): Gehalt Stufe 1, TVL 13, ab 1.7.2015 (http://oeffentlicher-dienst.info/tv-l/tr/2015/). Bei einer Anstellung an einer staatlichen Institution wäre in Westdeutschland ein Mindestbruttoeinkommen von 3438,38€ anzusetzen. Umgerechnet auf 22 Arbeitstage wären das in etwa 156,29€ pro Arbeitstag, oder 19,53/h. In Stufe 4 betrüge das Monatsbruttoeinkommen bereits 4962,10€, der Verdienst pro Arbeitstag demnach 225,55€ und der Stundenlohn etwa 28,19€. Das Hiwi-Stundenlohn in Baden-Württemberg betrug im Jahr 2014 für studierte Hilfskräfte mit einem Magister / Master Abschluss 14,49€, der für Studenten und Bachelor-Absolventen 10,68€.
Wie bereits erwähnt, liegen die meisten Angebote für Basisdienstleistungen bei einer genaueren Umrechnung klar unter den Vorgaben des TVL und das obwohl die Abgaben für Selbständige zum Teil deutlich höher ausfallen als für Angestellte. Es kann also wohl kaum von überteuerten Preisen die Rede sein. Nur um das mal zu verdeutlichen. Ein Handwerker muss, um einen Stundenlohn von 13€ zu erhalten, einen Stundensatz von 44€ veranschlagen!
Es ist es wie in der freien Wirtschaft. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen „billig“, „günstig“ und „preis-wert“. Auf den ersten Blich scheinbar zu „hohe“ Preise schrecken sicherlich ab. Zu niedrige Angebote allerdings sollten den Interessenten ebenfalls alarmieren. Wer als Auftraggeber bei seiner Auswahl nur auf die vermeintlichen Zahlen schaut, tut sich auf Dauer selbst nichts Gutes. Bei billiger Massenabfertigung bleibt zwangsläufig die Qualität auf der Strecke. Vermeintlich günstige Schnäppchen können sich unter Umständen als Fehlinvestition entpuppen. Zu teure Leistungen möchte auch niemand, bleibt also noch preiswert: Fairer Preis für hohe Qualität.
Es ist wirtschaftlich absolut einleuchtend, dass private Dienstleister sich für die günstigsten Angebote entscheiden, sofern sie den Ansprüchen der Vorgaben genügen. Wie diese Ansprüche und Qualitätsanforderungen aussehen, ist Ländersache. Es ist daher überaus begrüßenswert, dass immer mehr Landesdenkmalämter dafür Sorge tragen, dass verantwortungsvolle Arbeiten von entsprechend geschulten Fachkräften ausgeführt werden. Im Bereich der Anthropologie bedeutet das, dass sich angehende Freiberufler von der Gesellschaft für Anthropologie zertifizieren lassen und wie bei einer ISO-Zertifzierung ein Prüfverfahren durchlaufen. Damit ist wichtiger Schritt in Richtung faire Preise getan. Dumpingpreise schädigen.
Suchen Sie sich IHREN Spezialisten aus! Anthropologe ist nicht gleich Anthropologe. Die Fachleute, die in Deutschland in diesem Feld tätig sind, haben die verschiedensten Hintergründe. Sie kommen aus der Medizin, der Biologie oder der Archäologie und je nach ihrem Werdegang haben sie unterschiedliche Schwerpunkte und Spezialgebiete und bieten neben den mehr oder weniger gemeinsamen Basisdienstleistungen weitere, oft voneinander abweichende Leistungen an. Das sollte neben dem Preis ein wichtiger Faktor bei der Wahl ihres anthropologischen Partners sein.
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